Major Schäfers neuer Fall

Erschienen auf sunny7.at

Pünktlich zur neuen Lesesaison veröffentlicht Georg Haderer seinen vierten Roman. Nach drei erfolgreichen Schäfer-Krimis geht er beim neuen Buch ungeahnte Wege und weiß seine Leserinnen mehr als einmal zu überraschen. Im Interview mit Günter Stummvoll.

Major Johannes Schäfer ist seiner Jugend schon entwachsen, wacht aber plötzlich mitten im nirgendwo auf und denkt, er sei 21. Nach Fieberträumen und Erinnerungen an seine Kindheit als Ministrant im Tiroler Kitzbühel kehrt sein Gedächtnis langsam zurück. Doch nichts scheint mehr so, wie es war. In seiner Polizeistation in Wien übernimmt derweil sein Assistent Chefinspektor Bergman das Regiment.

In seinem packenden vierten Roman „Engel und Dämonen“ erzählt Haderer über die tiefen Abgründe der menschlichen Seele. Er zeichnet ein Portrait der österreichischen Mentalität und Kriminalpolizei, ohne auf Pathos zu verzichten. Subtil weiß er mehrere Ebenen und Handlungsstränge zu einer Geschichte zu verbinden, in der letztlich vieles, aber doch nicht alles aufgeklärt werden soll. sunny7 gegenüber gab sich der Autor Georg Haderer erklärungsfreudig.

sunny7: Glückwunsch zum vierten Roman. Der ja gar kein Schäfer-Krimi, sondern ein Bergmann-Krimi ist.
Georg Haderer: Das war der Trick, auf den ich abgezielt habe. Ein vorläufiger Titel des Buches lautete „Alle suchen dich“. Zwar ist die Hauptperson Schäfer gar nicht da, doch dreht sich alles um ihn. Das ganze Buch ist als Gottessuche angelegt. Von pseudowissenschaftlichen bis völlig abgefahrenen Erklärungen und Verschwörungsfanatikern. Jeder hat den Trieb, sich in dem Glaubenschaos zurechtzufinden.

Warum war der Hauptcharakterwechsel nach vier Büchern notwendig?
Haderer: Ich bin unbeabsichtigt über das Thema Sinnsuche und Esoterik gestoßen. Ich habe einige Ex-Kollegen, die nun von Shiatsu bis Kunsthandwerk wirklich alles Erdenkliche produzieren und in ziemlich wirres Zeug reinkippen. Schäfer das als wesentlichen Hauptcharakter recherchieren zu lassen, erschien mir nicht richtig. Bergmann hingegen hat viele Leerstellen besessen, wodurch sich viele Möglichkeiten aufgetan haben.

Wird Bergmann zu Schäfer?
Haderer: Das passiert phasenweise in diesem Buch. Er kann aber nie ganz zu Schäfer werden. Er muss ein paar Schrullen annehmen und kann nicht der spießige, blasse Beamte bleiben. In den ersten Romanen kann er dem Hauptprotagonisten Schäfer nicht die Schau stehlen. Außerdem muss Schäfer – logischerweise – irgendwann ein Ende finden. Mich interessiert ja nicht, dass er einen Mordfall nach dem anderen aufklärt.

Im neuen Buch gibt es drei große Ebenen: Glaube – Esoterik – Homosexualität. Glaube betrifft Schäfer, Esoterik den allgemeinen Handlungsstrang und Homosexualität Bergmann.
Haderer: Das funktioniert gut, weil man es nicht gewohnt ist. Irgendwann ist mir aufgefallen, dass Bergmann ohne jeden logischen Konflikt homosexuell sein könnte. Er hatte keine Frau, keine Freundin, nur die halberotische Beziehung zu seinem Vorgesetzten Schäfer. Bergmann bekommt also ein ganz normales Sexualleben. In den anderen Büchern war er eher mönchisch. Jetzt tritt er aus diesem Schatten in sein normales Leben, wo er ein normaler Homosexueller ist, der sich mit seinem Freund zerstreitet und dann versucht, jemanden aufzureißen. Das ist für die Bücher ungewohnt, weil es niemand erwartet. Das kann für manche ein extremer Störfaktor sein. Eine gewisse Leserschaft lehnt das sicher auch ab. Das Tunten-Klischee wird mit diesem gewissenhaften und Gerechtigkeit liebenden Menschen aufgebrochen.

Im Buch bleibt das Thema aber sehr neutral.
Haderer: Es ist ja auch völlig wurscht, wie man orientiert ist. Spannend ist nur, wie er damit umgeht. Teilweise ist er verklemmt. Teilweise fühlt er sich wie im falschen Film.

Georg Haderer

Dann gibt es die religiöse Schiene.
Haderer: Die besteht aus sehr vielen Originalzitaten aus Webannoncen und Zeitungsberichten. Wobei Religion und Esoterik sehr stark verschmelzen, da sich diese Esoteriker als Religionsanhänger oder -führer sehen. Esoterik ist immer so eine Mischform aus platonischer Ideenlehre, Christentum und noch ein wenig arischem Faschismus. Es gibt immer so einen Übermenschen oder die Stufen zur Perfektion plus ein bisschen Weltall und Naturreligionen – und so entsteht dann diese Brühe. Man braucht sich nur die Kleinanzeigen in Zeitungen anzusehen.

Im Buch wird Esoterik als „Klumpert“ bezeichnet.
Haderer: Es ist eine beliebige Mixtur von dem, was man sich selbst herrichtet, ohne groß zweifeln zu müssen. Die esoterischen Strömungen kippen schnell in Verteufelung der anderen. Wer die christlichen Werte wirklich verfolgen will, stößt andauernd an seine Grenzen – der Alltagsfaschismus überall, das Gebot der Nächstenliebe, das so schwer zu erfüllen ist…

Das kommt wahrscheinlich darauf an, ob man eine metaphorische Sicht des Neuen Testaments wählt oder sich nach dem Katechismus richtet.
Haderer: An das, was der Vatikan uns vorgibt, verschwende ich wenige Gedanken. Wenn eine Riege von alten, schwerreichen Männern in Kostümen unsere Lebensregeln vorgibt, ist das lächerlich. Nicht, dass diese Menschen – wie Ratzinger (Papst Benedikt XVI., Anm.) – nicht hochintelligent wären. Aber im praktischen Leben hat das nichts verloren. Ich finde nur sympathisch, dass er angeblich mit Bleistift schreibt.

Auch Familienaufstellungen werden scharf kritisiert.
Haderer: Da sind teilweise unglaubliche Kurpfuscher am Werk. Generell kann man bei so systemischen Aufstellungen schon viel erfahren und es werden wahnsinnige Energien frei, die genutzt werden können. Nur ist das alles so unglaublich suggestiv und kann völlig schief gehen. Oder auch diese Reinkarnationen und Krafttiere: Da ist jeder ein Löwe oder ein Bär. Keiner kommt auf die Idee, ein Aal zu sein. Krafttier. Geil.

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